DDR- eine Sprachanstalt Textbeispiel 3: kleines Seestück

Auch dieser lyrisch anmutende Text befindet sich unter den Stücken in der Sprachanstalt. Und wurde bisher nicht gedeutet.

Kleiner Tipp zur Imagination vom Autor Thomas Körner höchstpersönlich:

Stell Dir vor, Du siehst vom Ufer aus (z.B. am Müggelsee) ein Segel-Boot,  erst kreuzt es von links nach rechts, dann wendet es an der Windrose, Du siehst vorher die Badehose, nachher die Niveadose, dann fährt es von rechts nach links – seestück kleines.

Hier kann man den Text direkt im Fragment vom Wort Kleines Seestück nachlesen.

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DDR – eine Sprachanstalt – Textbeispiel 2

Die Auflistung Körners kann sich als Liste gegeneinander antretender Sportvereine lesen. Oder als lose Aneinanderreihung politischer Schlagwörter, das ‚Gegen‘ signalisiert dabei bloß das auf der Leuchtanzeige angezeigte neue Wort/ das Gegeneinander der ‚von rechts nach links als laufende Meldung‘ angezeigten Begriffe.

‚Aufbau‘, ‚Einheit‘, ‚Fortschritt‘ und ‚Empor‘ sind Namensbestandteile vieler Betriebssportgemeinschaften in der DDR (Aufbau Klosterfelde, Aufbau Boizenburg; Einheit Güstrow, Einheit Brandenburg; BSG Fortschritt Cottbus, Fortschritt Bischofswerda; BSG Empor Tabak Dresden, Empor Gera). ‚Vorwärts‘ ist Namensbestandteil der Sportvereinigung der Nationalen Volksarmee der DDR (ASV Vorwärts), wie auch von regionalen Armeesportgesellschaften (ASG Vorwärts Leipzig, ASG Vorwärts Dessau).

‚Aufbau‘ ist gleichzeitig ein Konzept-Schlagwort der DDR-Führung gewesen, in der unmittelbaren Nachkriegszeit durch gemeinschaftliche unentgeltliche Arbeit die „Hauptstadt Berlin“ wieder herzustellen (Nationales Aufbauwerk). In den Folgejahren blieb der Aufbaugedanke bestehen im Sinne eines wirtschaftlichen und vor allem sozialistischen Aufbaus einer neuen Gesellschaft.

Im selben Zusammenhang steht ‚Fortschritt‘als politisch positiv bewertete Entwicklung im Neuaufbau, sowie im behaupteten Gelingen einer gesellschaftlichen Formierung und der allmählich sich bessernden, materiell und kulturell sich steigernden Lebensqualität der DDR-Bürger.

‚Vorwärts‘ ist ein oft gebrauchter Aufruf in der DDR-Presse (und synonym in der -Politik), die Bürger zu ermuntern und motivieren, sich für den Sozialismus zu engagieren. Der gemeinschaftliche Vorwärts-Gedanke wird proklamiert, indem entweder dazu aufgerufen wird oder indem der bisher erreichte Fortschritt als Verdienst eines jeden einzelnen bestätigt wird.

‚Einheit‘ wird insbesondere in Zusammenhang mit innerer Geschlossenheit gegenüber jeglichen feindlichen Mächten kommuniziert und gefordert (Einheit antifaschistischer Kräfte), aber auch kleinteiliger als gesellschaftliche Organisationformen (Einheit in Vereinen und sozialen Verbänden, FDJ…). Die Gefahr, dass individuelles, kontroverses Denken oder Handeln entwickelt werden könnte, wurde wohl durch die Geschlossenheit und Gleichheit in einer Gruppe als minimiert verstanden.

Der Artikel ist nachlesbar im DKP-Projekt Seite 8 von 31 .

Hier gelangt man direkt zur Wort-Installation im Fragment vom Buch 5 Volkssport

Auszug aus DDR – eine Sprachanstalt – Textbeispiel 1: Neue Zeit

 

 

Thomas Körner hat im Fragment vom Wort u.a. DDR-Parolen, die Fixierung der Sprache für Agitation und Propaganda, die Pressesprache aus Zeitungen wie „Neue Zeit“ und  „Neues Deutschland“ zur Grundlage genommen und sie als Wort-Installationen in die Topographie von Berlin-Ost  eingepasst. Studenten der Fernuniversität in Hagen haben sie genauer untersucht.

Die NEUE ZEIT war während des Bestehens der DDR eine auflagenstarke Tageszeitung der Ost-CDU, die zweifelsohne zensiert wurde und propagandistischen Zwecken diente.

Die Silhouette, von der Körner spricht, wird wohl auf einen Gebäudekomplex bezogen sein, dessen Errichtung 1969 beschlossen worden ist (Investitionskomplex Leipziger Straße). Obwohl das sozialistische Stadtzentrum ursprünglich um den Alexanderplatz herum arrangiert und die Randzonen entlang der Mauer aus dem Bewusstsein der DDR-Bürger verdrängt werden sollten, wurde der Komplex inklusive eines 30-stöckigen Hochhauses dennoch dort, im Zonenrandgebiet, errichtet. Das ehemalige ‚niemandsland entlang der mauer zwischen leipziger straße und pariser platz‘ wurde zu einem bevorzugten Wohngebiet mit Geschäften und einer Rekonstruktion der im Krieg zerstörten Spittelkolonnaden.

Parteipolitisches Ziel dieser Baumaßnahme ist die Unkenntlichmachung der Nachrichtenleuchtreklame am Dach des Hauptgebäudes der GSW (Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft) und die Sichtverdeckung auf das Axel-Springer-Verlagsgebäude in Westberlin gewesen: DDR-Bürger sollten keine Möglichkeit bekommen, die als Provokation verstandenen West-Presse-Meldungen zu lesen. Dass Springer damit nichts zu tun hatte, sondern der Westberliner Senat, verdeutlicht die starke Fixierung auf das Feindbild Axel Springer und damit sinnbildlich auf die westdeutsche Presse.

Körners Collagen-Silhouette aus dem Zeitungstitel NEUE ZEIT (stellvertretend für die gesamte Ostpresse?) ironisiert und plakatiert die versuchte (Ver)Blendung durch das Regime:

Hauseigene Erzeugnisse des DDR-Journalismus werden den westlichen nicht bloß gegenübergestellt, letztere werden kategorisch ausgeblendet. Stattdessen werden eigene Wahrheiten produziert, mögliche Korrektive abgeblockt.

Die NEUE ZEIT-Collage wirkt massiv und unumstößlich, jenseits nur Schwarz. Als ob sie keine andere Wahrheit zuließe. Im stumpfen Errichten eines massiven Sichtschutzes, der jegliche Existenz jenseits der Mauer abblockt und ausblendet, spiegelt sich der Mauerbau selbst – ob nun als Bankrotterklärung oder logische Konsequenz kommunistischer Staatsbildung verstanden: Das Feindliche wird ausgeschlossen, das Eigene als das einzig Wahre kommuniziert.

Der Artikel ist dem DKP-Projekt entnommen, hier nachlesbar: Seite 4 Fragment vom Wort: Neue Zeit.

Hier gelangt man direkt in das Fragment vom Wort zu 1 Neue Zeit